2. Dezember 2011

Während sich feuilletonistische Nachrufroutiniers spreizen, bekenne ich mich zu unverblümter Trauer. Ein Gedicht, das anläßlich ihres 80. Geburtstages entstanden ist.

Was nicht bleibt
Doppelte Verneinung für Christa Wolf


Das NichtGelebte bleibt nicht
Auch nichtsnutziges NichtLeben nicht
Wie der Dinosaurier nicht bleibt
Das Strahlentierchen

Nicht nichtet das Nichts unausgesetzt

Das NichtGesprochene bleibt nicht
Auch NieAusgesprochenes nicht
Wie das Löweneckerchen nicht bleibt
Das Bucheckerchen

Nicht stiftet jene andere Sprache kein Ohr

Das Blei bleibt nicht
Auch der Bleisatz nicht
Wie also das Bleierne nicht bleibt
Ente noch Zeit

Nicht gesund bleibt nivellierender Haß

Das NichtGeträumte bleibt nicht
Auch NieGedachtes nicht
Wie der Waffelbruch nicht bleibt
Der Wörterbruch

Nicht bleibt des Doppelnichts bejahendes Nein

25. November 2011

... sie waren doch blind auf dem rechten Auge/Aus aktuellem Anlaß ein Gedicht aus dem Jahr 1992

        Wie ich aus Amsterdam nach Dresden
      zurückgeholt wurde



        Es war ein verräterisch leichtes Gefühl
        tagelang ohne Zeitung zu sein
        Es war der Augenblick zwischen zwei Atemzügen
        Es war das Atmen zwischen den Blicken
        wenn die Bäume mit einem Mal grün werden
        und das Paar im Haus gegenüber sich küßt
        als ich die Nachricht las
        Eintausend NeoNazis durch Dresden marschiert
        und die NeoDemokratie hat es erlaubt
        und der Rechtsstaat weiß schon warum
        es nicht Linksstaat heißt

        Im nächsten Traum sehe ich am Dresdner Rathaus wieder
        die roten Fahnen wehn
        mit dem verkrümmten Zeichen im Kreis
        auch die Andreaskreuze im Wappen von Amsterdam
        krümmen sich im Traum auf die bekannte Weise
        und ich bin eingekreist
        und aus den Urnen fährt der Väter Geist
        Hamlet ruft es wir sind verraten

        Die Feuer meiner untergegangenen Stadt
        liegen wie Schatten auf der Haut
        und Schreie kommen aus den Sirenen
        durch die ein Lichtstrahl wie ein Christbaum wächst
        und es ist furchtbar kalt

        Ich verbiete mir zu schlafen
        weil schlafen träumen heißt
        Ich verbiete mir zu träumen
        weil träumen sehen heißt

        Ich treffe Touristen auf der Kalverstraat
        höre sie mit sächsischen Zungen Preise vergleichen
        und frage habt ihr am Dresdner Rathaus auch
        die roten Fahnen gesehn
        mit dem verkrüppelten Zeichen
        Sie verstehen die Sprache meiner Frage nicht
        und legen mir einen Gulden in die sprachlos offene Hand

        Das braune Bier das ich am liebsten trank
        schmeckt jetzt nach Galle
        Ich kann die Hunde nicht mehr sehn
        die braune Haufen auf die Steine setzen
        Ich stehe vorm Haus der Anne Frank und denke
        Dieses Mal wird auch ihr Buch verbrannt

        Wo ist die Geschichte die sich nicht wiederholt
        Wo ist das Volk das sich selber richtet

        Die Wolken ziehen sich zusammen
        Es regnet in Amsterdam
        Die Passanten rennen in die Untergänge
        Ich stehe am Rand

3. Oktober 2011

Kalauer zum Tag der Deutschen Einheit

Die ruhmreichen Werktätigen wußten es schon
Am Vorabend deutschester Kopulation